Die folgenden Zeilen richten sich an diejenigen, die, sobald sie "Böhse Onkelz" hören, in den populistischen Chor der Stimmungsmache einstimmen, die die Onkelz mit Rechtsradikalismus und derartigem Mist in Verbindung bringen.
Euch können wir nur raten:
Hört auf, Euch die Meinung der Presse (von vor x Jahren) vorkauen zu lassen und fangt einfach mal selbst an zu denken und zu recherchieren. Um Euch die Sache aber ein wenig zu erleichtern, findet ihr im folgenden eine kurze Abhandlung der früheren Geschichte der Onkelz, wie sie sich wirklich zugetragen hat! Nehmt Euch eine halbe Stunde Zeit und schnell solltet ihr merken, dass die Presse genau so schlecht unterrichtet war wie ihr oder bewusst falsche Informationen verbreitet hat.
Vorab noch ein Statement der Onkelz:
"Wir hören immer wieder von Kritikern, dass wir uns niemals eindeutig von unserer Vergangenheit distanziert hätten (Campino 1997), dass wir nie klar Stellung bezogen hätten (Fritz Rau 1993) und dass wir angeblich vieles im Unklaren gelassen hätten. Man versäumte nicht, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir unseren Namen hätten ändern sollen, dass man es hier mit „Ettikettenschwindel“ (Grönemeyer 1999) zu tun hätte. Nun, das sehen wir nicht so. Wir sind genau der gegenteiligen Meinung, nämlich der, dass gerade eine Namensänderung ein grober Ettikettenschwindel im wahrsten Sinne des Wortes gewesen wäre." Quelle: www.onkelz.de
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Ende der 70er schwappte die Punk-Szene von Großbritannien auch nach Deutschland. Geprägt wurde die Weltanschauung der Punk-Anhänger durch Anarchismus. Der Anarchismus nimmt an, dass die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Form von Hierarchie nicht gerechtfertigt, repressiv und gewaltsam ist, Unterdrückung darstellt, und somit aufgehoben werden muss. Im Mittelpunkt stehen Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Selbstverwaltung der Individuen; die Ausübung von Zwang wird zurückgewiesen.
Grundlage des englischen Punks war ein in erster Linie apolitischer Groll auf sämtliche institutionellen Organisationen. Fehlender oder mangelhafter Halt durch die Bildungsinstitutionen und nach dem Verlassen dieser die mangelnden Aussichten (soziale und kulturelle Armut) – bedingt durch das steife englische Klassensystem – überhaupt eine Arbeit zu finden, geschweige denn einen gesellschaftlichen Aufstieg innerhalb dieses Systems, bildeten das Fundament für die punkimmanente Grundeinstellung.
Erst die zweite, dritte und vierte Generation politisierte den Punk zunehmend.
Auch die Onkelz-Mitglieder waren bei Gründung der Band im November 1980 der Punk-Szene zuzuschreiben.
In dieser Zeit entstand auch das Lied "Türken raus", also als Punkband und nicht etwa als Skinhead-Kombo! Das Lied darf somit nicht als rechtsradikales Gedankengut begriffen werden, sondern ist eine musikalische Bewältigung der Zustände, wie sie in Stephans Jugend im Frankfurter Ghetto herrschten.
Hier ein frühes Zitat...
...aus "Primitiefes Leben" Nr. 2, Fanzine von Patrick Orth, Frankfurt, Juli '81 "Es kam dann noch zu 'nem Zwischenfall. An diesem Abend war auch Kaiser wieder anwesend. Er spazierte vor die Bühne, als grade BÖSE ONKELS spielten und der Gitarrist von B.O. schnappte sich das Mikro und sang hinein "Nazis ins KZ, das wär' so furchtbar nett" oder so ähnlich." (Zur Erklärung muß hier angeführt werden, dass "Kaiser" ein stadtbekannter Faschoskin war, der sich gerne auf Punkkonzerten in Frankfurt sehen ließ und von allen Punks gehasst wurde.)
Kurz danach kam einer der größten Kulte, der jemals aus der britischen Arbeiterklasse entstanden war, wieder auf, der Skinheadkult. Unter anderem durch die fußballbesessenen „Cockney Rejects“ aus dem Londoner Eastend wurde dieser Trend musikalisch forciert.
Was aber ist eigentlich der Skinheadkult?
Begründet wurde er durch weiße Arbeiterkinder in East London – einem Arbeiterviertel – die mit den Kindern schwarzer Einwanderer aus Jamaika und anderen Teilen der Westindischen Inseln aufwuchsen. Man lernte sich durch gemeinsames Interesse an Schwarzer Musik – wie Early Reggae (auch Skinhead-Reggae genannt), Ska und Northern Soul – kennen.
Die frühen Skinheads trugen noch smarte Anzüge. Diese verschwanden alsbald und wurden durch das heute bekannte derbe, an Arbeiterkleidung orientierte Outfit ersetzt. Seitdem kultivieren und zelebrieren Skinheads eine Ästhetik des Proletarischen.
In ihrer Frühzeit waren die Skins generell anti-bürgerlich, aber ansonsten eher wenig politisch interessiert.
Bald aber begann sich die vorher politisch sehr gemischte englische Skinhead-Szene in Linke, Rechte und Traditionalisten zu spalten, und die extreme Rechte begann einen immer größeren Teil der Szene zu vereinnahmen. Die Rechtsradikalen prägten sodann das öffentliche Bild von einem Skinhead. Gefördert wurde diese Meinung auch durch Massenmedien, die eher über rassistische Gewaltakte berichteten, als über Demonstrationen von Skinheads gegen Rassismus.
Neben den unpolitischen Skinheads (Traditionelle Skins, SHARP, Oi!-Skins, GSM) gab es also sogar linksradikale Skingruppierungen (RASH, Redskins).
Zunächst bot "Oi!" den deutschen Punks, die weder bei der NDW, noch bei den Anarcho-Punks mitmischen wollten, ein willkommenes Auffangbecken, in dem sie weiterhin ihre unangepasste Musik machen konnten, ohne sich politisch vereinnahmen zu lassen. Während einige Bands den radikalen linken Weg einschlugen, sprangen die Onkelz zunächst auf den unpolitischen Oi!-Zug auf, der ihnen Gelegenheit genug bot, ihrem Ärger Luft zu machen. Songs wie "Religion", "Hippies" und "Oi, Oi, Oi" sollen als Nachweis genügen.
Die Idee des Skinheadkultes hatte ja gerade darin gelegen, sich nicht vor den Karren einer politischen Partei spannen zu lassen. Man durfte nicht den Fehler machen, alle Skinheads in einen Topf zu werfen. Im Verfassungsschutzbericht des Jahres ‘82 tauchten die Skinheads noch nicht auf, und der Bericht von 1983 meldete Folgendes: "... Ob es Neonazis künftig gelingen wird, Teile der gewalttätigen, aber im Grunde unpolitischen jugendlichen Subkulturgruppen an sich zu binden, muss bezweifelt werden. Rechtsextremistische Grundhaltungen sind mit der Vorstellungswelt und der Lebensweise dieser Jugendlichen nur schwer in Einklang zu bringen..."
Nur ein kleiner Teil der deutschen Skinheadszene war 1982 als rechtsradikal einzustufen. Die Mehrheit verstand sich als apolitisch und stolz. Stolz stand zu dieser Zeit wohl eher für das Gefühl von Trotz gegen die eigenen Großeltern und Eltern, von denen die meisten Nazis gewesen sein mussten. Wenn nicht die eigenen, dann die eines Freundes. Das Gefühl der Gemeinschaft galt immer noch als höchstes Gut bei den Skinheads. "Skins united" stand über allem, und zudem gab es noch zahlreiche Freundschaften und gute Verbindungen aus alten Punktagen. Die Spaltung, die die englische Jugend erlebt hatte, war in Deutschland Anfang ‘83, noch nicht abgeschlossen.
1983 begannen die Böhsen Onkelz von der Oi!-Bewegung in die Skinheadszene zu rutschen. Sowohl Stephan, als auch Gonzo hatten sich bereits den Schädel rasiert und Stephan schrieb die ersten Lieder, die sich explizit mit dem Thema "Skinhead" befassten. Der Ska-Einfluß war zwar noch zu spüren, und auch der Bezug zur Arbeiterklasse, aber diese Einstellung wurde aufgrund der politischen Einmischung in die Szene schnell verwässert.
Ebenfalls 1983 nahmen die Böhsen Onkelz ihr erstes offizielles Demotape auf, das später nur als das ominöse "Demo" traurige Bekanntheit erreichen sollte. Auf diesem Demo befanden sich eine radikalere Version des alten Punkstückes ’Türken raus’ und eine veränderte Version des Oi!-Stückes ’Oi, Oi, Oi’. Ab diesem Zeitpunkt musste man den Böhsen Onkelz eine Ausländerfeindlichkeit attestieren, die sich in großer Brutalität und Gewalt äußerte und in radikalem Auftreten während ihrer seltenen und sporadischen Gigs. So gab es 1983 gerade mal 2 Auftritte vor jeweils 80-100 Leuten. Im Sommer 1983 im Berliner Bunker spielten die Onkelz den Song ’Türken raus’ zum letzten Mal.
1984 waren die Böhsen Onkelz bereits eine in Gerüchten und Legenden gehüllte Gruppe. Im Westen wie im Osten. Geschichten über Alkoholexzesse und üble Schlägereien machten die Runde, genauso wie ihre Demotapes und die Interpretationen ihrer Lieder und ihrer Gesinnung. Dass sie den glaubwürdigsten und ausgereiftesten deutschen Skinheadpogo spielten, daran bestand kein Zweifel, und für die Bestätigung ihrer politischen Ausrichtung, gab es immer einige dubiose Augenzeugen, die genau gesehen haben wollen, wie Stephan oder Kevin den Hitlergruß gemacht haben. Stephan, Gonzo und Pe hatten nur sehr selten ihren rechten Arm gestreckt, höchstens einmal als Verarschung oder als Provokation. Sie hassten Nazisymbolik. Sie folgten niemandem außer sich selbst, und das würde sich auch in Zukunft nicht ändern. Sie wussten inzwischen genau, wie gefährlich diese Zeichen geworden waren. Es war ihnen verdächtig und unangenehm, wenn Leute Parolen nachbrüllten, ohne eine eigene Meinung zu haben, ohne darüber nachgedacht zu haben.
Wie Kevin manchmal, der im Sachsenhäuserpark mit gestrecktem Arm für die Reporter vom Stern posierte. „Mach doch bitte mal einen Hitlergruß" forderten sie ihn auf, und einen Kasten Bier zahlten sie ihm dafür, dass sein Bild in schwarz/weiß auf einer ganzen Seite und in millionenfacher Auflage durch die Republik geisterte. Aber wer Kevin wirklich kannte, wusste auch, wie scheißegal ihm das alles war. Für eine Kiste Bier hätte er auch seinen untätowierten Hintern in die Kamera gehalten.
Auf dem 1984 aufgenommenen Debütalbum ’Der nette Mann’ befand sich auch das vielzitierte Lied ’Deutschland’, ein Song, in dem zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg eine deutsche Band die Textzeile "wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein" verwendete. Merkwürdigerweise wurde dieser Song, in den man unverblümt einen übertriebenen und gefährlichen Patriotismus, hineininterpretieren könnte, bei der späteren Beanstandung des Albums durch die Bundesprüfstelle, nicht nur nicht besprochen, sondern, er wurde nicht einmal erwähnt.
Während Kevin sich in der Skinheadszene aufgehoben und geborgen fühlte und der Meinung war, dass er es mit einer wirklichen großen Familie zu tun hatte, erkannten die drei anderen Musiker, Stephan allen voran, dass auch diese Szene ihre eigenen Schubladen hatte und im krassen Gegensatz zu seinem Freiheitsgefühl stand. Die Vorschriften und Dresscodes, die Breite der Hosenträger, das Markenbewusstsein der "Glatzen", vom Fred Perry Hemd zu den Doc Marten's Schuhen, von der Sta Prest Jeans zu den Bomber Jacken, das alles fing sehr schnell an zu nerven. Zum Jahreswechsel 84/85 legten Pe, Gonzo und Stephan die Hosenträger wieder ab und ließen die Haare wachsen.
Im Februar 1985 wurde das zweite Album aufgenommen. Die Liedtexte drehten sich ausschließlich um Straßenkampf und Alkohol. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass 1985 auch die rechten Parteien die Onkelz für sich entdeckten und sie immer wieder für "ihre Sache" zu gewinnen versuchten. Es gab während dieser Zeit zahlreiche Angebote von rechten Parteien und Vereinigungen an die Böhsen Onkelz, auf einer ihrer Kundgebungen oder Grillfeste zu spielen. Alle Angebote wurden abgelehnt und die Böhsen Onkelz haben bis heute keine Note für eine politische Partei angeschlagen. In diesem Zusammenhang sind auch die Texte der beiden Songs ’Signum des Verrats’ (ein Song für Mitläufer und Skinheads, die ihre Ideale an die Politik verkauft haben) und ’Hässlich, brutal und gewalttätig’ (ein Song über die plakative Darstellung der Skinheads in den Medien) zu verstehen.
Den vierten und größten Gig vor einer Skinheadgemeinde spielten die Onkelz im August '85. Vor rund 700 Glatzen und Glatzenähnlichen, von denen man einige ganz klar dem rechten Lager zuordnen muss, ließ sich Kevin zu einer weiteren Dummheit hinreißen. Obwohl die Band den Aufforderungen ’Türken raus’ oder ’Deutschland den Deutschen’ vom Demotape zu spielen, nicht nachkam, trugen sie dennoch den Song ’Deutschland’ vom ersten Album vor. Die originale Textzeile "deutsche Frauen, deutsches Bier - schwarz rot gold wir steh'n zu Dir" wurde während des Gigs von Kevin auf eigene Faust umgestaltet und er sang "deutsche Frauen, deutsches Bier - schwarz weiß rot wir steh'n zu Dir" Die Band war außer sich vor Wut über diesen Alleingang und es kam zu Spannungen innerhalb der Band.
Dann spielten die Onkelz zum letzten mal vor einem reinen Glatzenpublikum, das inzwischen in seiner Gesamtheit aus Faschoglatzen bestand. Zum ersten größeren Ausstiegsimpuls aus der Skinheadszene, der sich über das nächste Jahr hinziehen sollte, führte ein erneuter Böhse Onkelz-Gig im Berliner Bunker der Faschoband "Kraft durch Froide" am 9.11.85. Die Böhsen Onkelz waren wegen ihrer länger werdenden Haare und ihrem veränderten Aussehen bereits in der Skinheadszene verpönt. Die erste Kritik innerhalb der Szene machte sich bemerkbar und zunächst war die Band für den Gig im November in Berlin gar nicht eingeplant. Erst als eine andere Band absagte, kam man auf die Frankfurter Onkelz zurück. In dem Bunker in Berlin Wedding fanden sich gut 200 Glatzen zusammen, die von vorneherein klarstellten, auf welcher Seite sie politisch standen. Schon vor dem Auftritt der Böhsen Onkelz, skandierten die anwesenden Skinheads einstimmig mit zum Hitlergruß erhobenen rechten Armen "Deutschland den Deutschen", "Ausländer raus", und "Sieg Heil". Man muss den Onkelz den Vorwurf machen, dass sie diesen Gig nicht sofort abgebrochen haben. Auch wenn die Band am Aufbau dieser Szene mit beteiligt war und sich anfangs noch nicht im Klaren darüber war, in welche Richtung ihre Szene marschierte, so muss sie es sich gefallen lassen, in dieser Phase als ausländerfeindliche rechte Band bezeichnet zu werden. Selbst wenn die politische Ausrichtung der Band nicht als rechtsradikal bezeichnet werden konnte, und sie sich selbst auch zu dieser Phase nicht als rechtsradikal empfand, sprach ihr Publikum doch eine deutliche Sprache. Das allerdings fiel nach dem Gig in Berlin auch den Böhsen Onkelz auf und wo Kevin sich noch heimisch in der Szene fühlte, wurde es den anderen Musikern zu eng. Nach diesem Konzert war man sich einig. Die Böhsen Onkelz wollten keine Kultband der Skinheads mehr sein und ihren Sänger Kevin würden sie schnell überzeugen können.
Um die eigenen Erlebnisse zu verarbeiten und für alle Fans, die mit den Onkelz angefangen hatten und jetzt ebenfalls einen Wendepunkt in ihrem Leben erreicht hatten, schrieben die Onkelz das Lied ’Erinnerungen’. Danach kam nichts mehr. ’Stolz ’, ’Deutschland ’, ’Erinnerungen ’. Es war alles da, der Anfang, die Mitte und das Ende. Alles nachweisbar erfahren, gelebt und vertont. Die Band beurteilte die zurückliegenden Jahre nicht als einen Fehler oder einen Irrtum, sondern als eine Erfahrung, als eine Etappe auf einem steinigen Weg. Für die Böhsen Onkelz war ihre Skinheadvergangenheit damit erledigt.
1986 waren die Onkelz für eine kurze Zeit ohne Vertrag und ohne neue Songs. Ein Playback-Benefiz-Gig für das S.O.S.-Kinderdorf unter der Leitung von Manfred Sexauer verlief mehr als chaotisch, als der betrunkene Kevin Russell in das Schlagzeug fiel und nicht mehr alleine hochkam. Danach gab es bis 1989 keine Konzerte mehr und die Presse hatte von der Band, ihrer bisherigen Geschichte und ihrem Ausstieg aus der Skinheadszene keine Kenntnis und zeigte auch kein Interesse.
Zitat aus: "Singen und Tanzen", Skinheadfanzine Duisburg, Frühjahr 1986
Stephan: "Wir hatten keine Lust mehr, uns in eine Ecke drängen zu lassen, aus der wir nicht mehr herauskommen. Wir wollten unseren Spaß haben und das war zum Schluss nicht mehr möglich. Für die Zukunft der Skinbewegung sehe ich einigermaßen schwarz. Zu viele Leute, die früher die Bewegung geprägt haben sind verschwunden, zu viele Leute, die diesen Ruf nicht halten können, sind dazu gekommen. Wir brauchen uns von diesen Leuten nichts vorwerfen und schon gar nichts sagen zu lassen. Wir kennen die Sache. Die Skins, die von sich behaupten können, 4-6 Jahre dazu gehört zu haben, kann man an einer Hand abzählen."
Das Jahr 1987 markierte das zweite Jahr nach dem Ausstieg der Böhsen Onkelz aus der Skinheadszene und ihr erstes Metal Album, das im Sommer des Jahres bei Metal Enterprises erschien. "Onkelz wie wir" erspielte sich schnell den Ruf einer reinen Rockscheibe innerhalb der wachsenden Fangemeinde. Die Presse war immer noch weitgehend uninteressiert. Nur einige Musikmagazine hatten von dem Ausstieg der Onkelz aus der Glatzenbewegung etwas mit bekommen, wollten die Wandlung aber nicht anerkennen.
Im Oktober ´88 meldete sich die Spiegel TV - Redaktion bei den Onkelz und fragte nach einem Interview. Die Band willigte ein und traf sich mit dem zuständigen Redakteur und seinem Kameramann im Proberaum der Böhsen Onkelz, den die Band seit einigen Jahren in einem alten Bunker in Offenbach unterhielt. Anwesend waren alle vier Onkelz, die zu den Fragen des Reporters Stellung nahmen. Gesendet wurde dieser Beitrag nie. Die Spiegel TV-Redaktion hielt es für besser, dieses Dokument nicht zu veröffentlichen. Nicht nur, weil die Qualität des Rohmaterials so schlecht war, sondern auch, weil die vorgestellte Band alles andere, als eine "unglaubwürdige Nazi-Skinband" zu sein schien. Das Gegenteil war der Fall. Die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen war offensichtlich, entsprach jedoch nicht dem, was gewünscht wurde. Bei der Diffamierung der Band hätte der Spiegel womöglich geholfen, an einer Beihilfe zur Rehabilitation schien er sich nicht beteiligen zu wollen.
Im Jahre 1989 fanden die Böhsen Onkelz in den Medien noch immer nicht statt. Weder Tageszeitungen noch Musikmagazine interessierten sich für die Band. Die Kneipenterroristen-LP vom Vorjahr wurde kaum erwähnt und ebenso wenig ihr Ausstieg aus der Glatzenszene oder die wachsende Fangemeinde, die sich nun aus vereinzelten Alt-Skins, Punks und Rockern zusammen setzte. Wohl aber fanden wieder erste Konzerte statt. 5 Shows spielten die Onkelz im Raum Wiesbaden und Frankfurt vor einer Crowd von 800 bis 1.200 Leuten. In Offenbach tauchten ca. 30 Skinheads mit Deutschland-Fahnen auf und pöbeln im Publikum. Stephan machte eine seiner ersten öffentlichen anti-rechts Ansagen von der Bühne herunter.
1990 machte geringe Medienpräsenz in Tageszeitungen und Musikzeitschriften bereits deutlich, dass die Böhsen Onkelz von der Musikindustrie nicht akzeptiert wurden und ihr Ausstieg nicht anerkannt wurde. Die wenigen Artikel, die sich mit dem Thema "Onkelz" auseinander setzten, warfen der Band vor, sie sei immer noch in der "rechten Szene" aktiv, würde sich nur aus marketingtechnischen Aspekten nun anders und vorsichtiger ausdrücken, sei aber im Grunde nichts anderes, als eine "Nazi-Skin-Kombo", die keine Musik machen könne und die man am besten totschweigt. In der Zwischenzeit wurden von der "Es ist soweit"- LP 30.000 Einheiten in kürzester Zeit abgesetzt.
Das Album "Wir ham' noch lange nicht genug" verkaufte 1991 über 100.000 Einheiten in wenigen Monaten. Während die Presse allmählich auf das Phänomen der "Onkelz" aufmerksam wurde und ihre Popularität einzig und allein auf ihren "Kultstatus" in der Skinheadszene zurückzuführen versuchte, wurden gleichzeitig die Forderungen nach einer Namensänderung laut. Bisher hatte die Band keinen Videoclip für einen Musiksender gedreht und fand im Radio nicht statt. Die Musikindustrie rief öffentlich zum Boykott der Band auf und begann, massiv auf den Handel einzuwirken. Ziel war es, die Band entweder mundtot zu machen oder aber unter einem anderen Namen mit möglicherweise englischen Texten neu zu erfinden. Angebote, die das bestätigen gibt es in größerer Anzahl. Die Band lehnte weiterhin jede Diskussion darüber ab und antwortete stattdessen mit ihren Songs. Es musste möglich sein, in Deutschland, so die Band, seine Meinung zu ändern, Fehler einzugestehen und geistig zu reifen. Bewusstwerdung sollte zugestanden werden. Stephan und die Band waren fest dazu entschlossen, den Namen "Böhse Onkelz" zu einem Symbol des Umdenkens zu machen und sich dem Druck nicht zu beugen.
Gegen Ende des Jahres '91 begann auch die Tagespresse verschärft damit, die Böhsen Onkelz in ihren Artikeln über rechte Gewalt zu erwähnen. Die Berichterstattung über die Band war defizitär, lückenhaft und ungenügend. Daten, Fakten, Namen, Zahlen, alles wurde bunt durcheinander geworfen und schlecht bis gar nicht recherchiert an die Leser verfüttert. In Radio, Fernsehen und Tagespresse wurde die Band als schlimme "Nazi-Skin-Kombo" dargestellt und es wurde in den Medien zu öffentlichen Boykotten aufgerufen. Kein Radioairplay, keine Videoclips, keine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema "Böhse Onkelz". Eine objektive Berichterstattung fand nur vereinzelt in wenigen Rock-Zeitschriften statt.
1992 war ein Gig in Kuhardt am 3. Oktober. Der örtliche Veranstalter rechnete mit gut 3.000 Leuten. Zwei Drittel der Karten waren bereits im Vorverkauf abgesetzt worden. Der Kuhardter Gemeinderat, die Repräsentanten eines 1.700-Seelen Dorfes in der Südpfalz, hatte sich eilends zusammengefunden und den lokalen Organisator Gerd Weber zu einer Absage gedrängt. Der Herxheimer "Kreis gegen Neonazis und Fremdenhass" protestierte in einem offenen Brief an die Stadt und wies auf die Gefahren eines solchen Konzertes hin. Die Kuhardter Dorfseele kochte. Angst und Hass breiteten sich aus.
Vor dem Konzert:
"...beim Start der Deutschland-Tournee im schwäbischen Aalen besuchten etwa 200 bis 300 Skinheads das Konzert, die sich mit Hitlergruß und ausländerfeindlichen Parolen bemerkbar machten. ...aus Polizeikreisen verlautete, dass bei "Onkelz"-Konzerten immer mit Ärger zu rechnen ist..."
(Südwestdeutsche Zeitung vom 19.9.92)
und nach dem Konzert:
"... - Polizei verzeichnet störungsfreien Verlauf - Texte nicht zu verstehen... Kuhardt ist noch einmal davon gekommen...die Szene erinnerte mehr an ein Umtrunk im Freien, als an einen Aufmarsch gewalttätiger Skinheads... die zahlreichen Pickel im Gesicht, verrieten dass es sich eher um pubertierende Jugendliche, denn um gewaltbereite Rechtsradikale handelte... "
(Südpfalz vom 5.10.92)
"Der Spiegel" selbst, die Ikone der journalistischen Seriosität und der Inbegriff der politischen Aufgeklärtheit, widmete seine Titelstory wieder einmal dem Rechtsradikalismus. In der 42/92 Ausgabe vom Oktober, unter dem Titel "Anklang an Weimar", untersuchte der Spiegel die politische Situation im Jahre 3 nach der Wiedervereinigung.
Das Fazit:
"Die etablierten Bonner Parteien rücken zusammen nach rechts, und schmieden neue Gesetze - zur Abwehr von Ausländern oder zum Abbau von Grundrechten. Sie legen selbst Hand an das bisherige Parteigefüge. Die Rechten werden koalitionsfähig."
Alles in Allem eine saubere Recherche, die tief blicken ließ in die Machenschaften und Vorhaben der deutschen Politiker und die viele Hintergründe aufdeckte. Wäre da nicht wieder dieser kleine Absatz über die Musik gewesen: "Radikale Rockbands mit eindeutigen Namen wie ..., oder ..., heizen den Rechts-Trend kräftig an. Die Kultband Böhse Onkelz (Refrain: "Endlich wieder fiese Lieder") inzwischen auf Anraten ihrer Plattenfirma mit entschärften Texten auf der Bühne, schaffte mit ihrer neuesten CD als erste Rechts-Kapelle den Sprung in die Hitlisten (Platz 5)..."
Dazu veröffentlichte der Spiegel auf der gleiche Seite ein falsches Foto. Das der Bluesband "Formation SO 36", mit dem Untertitel: "Rechten-Band: ´Böhse Onkelz´, Rechten-Parolen: ´Fiese Lieder´".
Das Berliner Stadtmagazin "Zitty" veröffentlichte einen Bericht mit zwei Fotos. Eins von der "Netten Mann" - Fotosession von ´84 (vier B.O. Glatzen mit Hosenträgern vor einer Steinmauer), das die Redaktion als "heute" bezeichnete, und eins von der "W.h.n.l.n.g."- Fotosession von ´91 (lange Haare, Sonnenbrillen), das mit "einst" ausgewiesen war. Irrtum, Blödheit oder Absicht?
Man legte der Band von allen Seiten nahe, sie solle ihren Namen ändern. Unter einem neuen Namen, würde man ihnen alles verzeihen. Lukrative Angebote wurden der Band unterbreitet, sie solle auf englisch singen, solle sich jetzt die "lieben Tanten" o.ä. nennen und dann würde man wieder für Auftrittsmöglichkeiten sorgen und ihre Songs im Radio spielen. Die Band lehnte diese Angebote ab. Man war sich einig, dass genau die Leute, die eine Namensänderung forderten, auch die Leute waren, die ihnen diese Namensänderung später vorwerfen würden.
Die Bildzeitung weigerte sich eine Anzeige der Onkelz gegen Ausländerhass zu veröffentlichen und bundesweit sorgten die Medien dafür, dass der Name "Böhse Onkelz" nun ein Synonym für rechtsradikale Musik zu sein schien.
Obwohl sich bereits namhafte Persönlichkeiten, wie Wolfgang Niedecken, Daniel Cohn-Bendit, Matthias Beltz, Klaus Farin oder Alice Schwarzer positiv über die Band äußerten, obwohl sogar die FAZ darauf hinwies, dass es vielleicht klüger wäre, die Böhsen Onkelz als Tool, als Werkzeug also, einzusetzen, um so den nach Identität suchenden Jugendlichen ein positives Beispiel der Veränderung nahe zu bringen, reagierte die Musikindustrie und die Presse mit immer haarsträubenderen Hetzartikeln. Dass sogar der Spiegel die Band als Speerspitze der rechtsradikalen Musikszene darstellte und gleichzeitig ein falsches Foto veröffentlichte (s.o.), soll als kleiner Nachweis für die skandalöse, schlampige Recherche genügen. Der Ausstieg der Band aus der Skinheadszene wurde von den Medien plötzlich auf 1990-1992 verlegt, also als etwas gerade Stattgefundenes dargestellt, als etwas, das man nur aus finanziellen und marketingtechnischen Beweggründen hatte machen müssen. Die 92er LP "Heilige Lieder" wurde als die gerade wegen Ausländerfeindlichkeit und Naziverherrlichung indizierte LP "der nette Mann" ausgegeben und überall wurde mit falschen Fakten und dreisten Lügen Verwirrung gestiftet.
Zum Jahreswechsel 92/93 hatte es vor der Frankfurter Festhalle ein großes Anti-Rechts-Festival gegeben, dass von den Konzertriesen Lieberberg und Rau veranstaltet wurde. Man hatte klugerweise vor dem Konzert auch die Onkez eingeladen, die ohne zu zögern ihre Beteiligung versichert hatten. Daraufhin hatten Peter Maffay, Udo Lindenberg, Herbert Gröhnemeyer und andere ihren Auftritt abgesagt, mit der Begründung, dass sie sich nicht mit den Böhsen Onkelz auf eine Bühne stellen. Also wurden die Onkelz wieder ausgeladen.
1995 erhielten die Onkelz für 250.000 verkaufte Exemplare der "Heilige Lieder" ihr erstes Gold. Ebenso schoss die aktuelle '95er Veröffentlichung auf dem Virgin Label ohne große Probleme von null auf sechs in den Top 100 Longplay der Media Control Charts. Der Handel war gespalten, wie nie zuvor. Allen voran, die Ladenkette WOM (World of Music), die die Böhsen Onkelz massiv boykottierten und auch zum öffentlichen Boykott in der Branche aufriefen. WOM veröffentlichte in seinem WOM-Journal einen "offenen Brief" an Stephan Weidner, in dem die Geschäftsleitung der Band vorwarf, "aus den Sünden von einst" Kapital zu schlagen, ohne diese "Sünden" genauer zu beschreiben und nahm der Band den Wandel ohne Namensänderung nicht ab. In den Chartregalen bei WOM wurden alle Interpreten eine Position nach oben geschoben, damit es den Kunden nicht auffiel, dass es dort in den TOP TEN ein freies Feld gab und man womöglich neugierig werden könnte.
Udo Lange, Geschäftsführer von Virgin Records und angesehener Mann in der Branche, musste sich im Wochentakt in Radio- und Presseinterviews für seine Entscheidung rechtfertigen, die Böhsen Onkelz unter Vertrag genommen zu haben. "Schockierende Uninformiertheit", so bezeichnete er den allgemeinen Wissenstand der Musikindustrie bezüglich der Böhsen Onkelz.
Bereits 1993 hatten die Böhsen Onkelz in Geiselwind ein "Rock gegen rechts" Konzert organisiert und dem dortigen Bürgermeister einen Scheck über 8000,--DM zur Ausgabe für die Jugendarbeit überreicht. In Bremen hatte man im Oktober '93, zusammen mit dem DGB und der grünen Abgeordneten Helga Trüpel eine Veranstaltung gegen rechte Gewalt organisiert, gesponsort und finanziert. Ebenso flossen Geld- und Sachspenden in den Kosovo. Alle diese Dinge wurden nicht nur nicht erwähnt, sondern man machte sie vielmehr zum Teil der Gegenargumentation. Die Onkelz seien eine "hinterhältige Nazi-Band", die sich nur verstelle und die diese Dinge nur unter marketingtechnischen Gesichtspunkten mache, um dem Image des Underdog, der Unverstandenen zu entsprechen. Dass es in den Köpfen der Musiker ganz anders aussah, und dass es der Band im Prinzip egal war, was über sie geschrieben wird, machen die Songs aus dieser Zeit deutlich.
Auch 1996 äußerte sich die Band in einigen Medien zu ihrer Vergangenheit, und zu ihrem Ausstieg aus der Skinheadszene, der mittlerweile 10 Jahre zurück lag. Frage: "Ihre Vergangenheit wollen sie gar nicht verschweigen. Sie wollen sie aber auch nicht ständig vorgehalten bekommen." Stephan: "Ich frage mich manchmal, wie viel Scheiß diese Leute selbst mal in ihrer Jugend gebaut haben. Sie haben nur keine Lieder geschrieben, die auf Tonträgern festgehalten wurden. Wir versuchen ja, offen damit umzugehen, indem wir sagen: "Klar, so und so sah das aus, wir stehen dazu. Wir stehen aber auch zu der Veränderung, die wir seither durchgemacht haben. Ich muss doch auch einem Typ, der im Knast war, die Möglichkeit geben, sich zu resozialisieren. Das kann ja ein guter Mensch sein, der in einem Anfall geistiger Umnachtung sonst was gemacht hat. Damit will ich nicht alles entschuldigen - so ist das nicht. Ich habe aber auch aus den Fehlern, die wir damals gemacht haben, eine Menge gelernt. Gerade von linker Seite wird immer so getan, als hätten sie die Moral für sich gepachtet, als wären sie auf der richtigen Seite - und vom rein theoretischen Aspekt her will ich denen ja gar nicht Unrecht geben, denn mir ist Faschismus absolut zuwider, und ihn zu bekämpfen ist eine absolut wichtige Sachen. Dann aber mit faschistischen Mitteln zu kämpfen, das lehne ich ab." ("Feedback" Nr. 30. Ausgabe, Oktober/November 1996)
1997: Seit zehn Jahren war die Band nun in der rechten Szene als "Verräter", "Motherfucker" und "linke Zecken" verrufen, während die linke Szene sie als "Nazischweine" bezeichnet. Seit zehn Jahren, weigerte sich die Presse, die Bewusstwerdung der Böhsen Onkelz anzuerkennen. Eine Clownerie, die in der Musikgeschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel ist. Seit siebzehn Jahren wurden die Alben der Böhsen Onkelz nicht im Radio gespielt oder im Fernsehen durch Viedoclips beworben und seit siebzehn Jahren wuchs ihre Fangemeinschaft beständig an.
Provokateure bei Konzerten flogen raus: "Gitarrist Gonzo platzt der Kragen, als ein Idiot in der ersten Reihe den Arm zum Hitlergruß hebt. Er springt in den Absperrgraben und schlägt dem Kerl kurzerhand seine Gitarre ins Gesicht. Hart, aber gerecht." aus "Rock Hard", 1/97, Tourtagebuch der 96er Tour
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An dieser Stelle möchten wir es mit den Ausführungen gut sein lassen. Respekt an alle Interessierten, die wirklich bis hierher gelesen haben.
Eins sollte doch deutlich geworden sein: Skinhead ja, dunkle Vergangenheit vielleicht auch. Aber dieser Teil der Band-Geschichte macht gerade mal 3 von 25 Jahren aus und liegt nunmehr über 20 Jahre zurück! Zu berücksichtigen sollte sein, dass die Jungs seinerzeit gerade mal 20 Lenze zählten.
Eins noch: der Stern der Onkelz erstrahlte Ende der 90er in gleißendem Licht und gipfelte 2005 im 25-jährigen Jubiläum und dem Abschied der Band. Bis zum Schluss boykottierten Plattenläden die Scheiben der Onkelz, trotzdem schaffte es 2002 ’Dopamin’ und 2004 ’Adios’ auf Platz 1 der Albumcharts. Auch die Presse bekam die Kurve nie, vielleicht um sich nicht selbst zu diskreditieren.
VIVA LOS TIOZ
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